England/Wales

England Coast to Coast (Harwich-Barmouth-Harwich)
31.05. - 27.06.2004

Team Komplett

Im folgenden finden sich unsere Tagebucheinträge nebeneinander. Beide mit eigenem Charakter. Soll sich jeder aussuchen, was ihn mehr interessiert, so einiges kommt natürlich doppelt vor.

Eine Auflistung der verschiedenen Etappen mit Kilometerangaben findet sich in der Etappenübersicht.

Vor der Tour - Überlegungen zum Ziel

Endlich Irland (alter Traum von mir) oder doch wieder Frankreich (war Katrin erst letztes Jahr)? Jedenfalls wollen wir ins Ausland, nicht fliegen und möglichst viel Zeit im Land selbst verbringen - also keine Anreise (nur) mit dem Rad. Nach einigem Hin und Her kristallisiert sich der Westen der britischen Insel heraus: Wales und/oder Cornwall. Nur wie sollen wir hin und wieder zurückkommen? Busse, die Fahrräder mitnehmen, wollen nicht dahin, wo wir hin wollen und/oder fahren nicht so früh im Jahr auf die Insel. Bleiben die Fährverbindungen. Davon gibt es nicht mehr so viele und wir wohnen auch nicht gerade an der Küste. Von Frankreich aus kommt man nach Cornwall — wir aber irgendwie nicht an die Fähre, jedenfalls nicht in angemessener Zeit. Gibt es noch die Fährhäfen in Holland — aber von da kommen wir weder nach Cornwall noch nach Wales. Wir entscheiden uns für die Route Cuxhaven — Harwich. Nach Infos von der Tandemliste heißt das eine Woche durch Mittelengland radeln und das kennen wir ja auch noch nicht. Danach wollen wir den Lôn Las Cymru von Holyhead nach Cardiff fahren, den walisischen Fernradweg und dann über eine südliche Route wieder nach Harwich zurück. Ziel und grobe Route liegen also fest.

Überlegungen zum Gepäcktransport

Nach zwei einwöchigen Touren mit voll (vor allem hoch) bepacktem Tandem, entscheide ich mich diesmal einen Hänger einzusetzen. Viel Volumen, nicht allzu schwer und Regensicherheit sind die ersten Kriterien. Das neueste deutsche Hightech-Produkt, der gefederte Weber Monoporter ist mir letztlich doch zu futuristisch und das Verstauen in eine Tasche stelle ich mir wuselig vor. Da fallen gleich noch ein Leichtmodell aus Holland (hält das?) und die anderen allseits beliebten einrädrigen Nachläufer aus der engeren Wahl. Der Raumgewinn von 70-80 ltr. ist mir für die Tour zu knapp. Mein alter Favorit aus der Schweiz, der Vitelli-Camping, ist lange im Rennen, scheitert dann aber am fehlenden Regenschutz — zusätzliche Taschen bedeuten wieder zusätzliches Gewicht und lassen sich nur umständlich packen. Der Leggero-Touring ist etwas schwer, verliert trotzdem nur knapp gegen den Burley Nomad: 6,5kg und 50kg an Zuladung, aber vor allem ca. 120ltr. Volumen. Verdeck auf — Sachen rein und los. Faltbar ist er außerdem - ob frau das braucht, bleibt abzuwarten. Soweit zur Theorie.

Erfahrungen vor der Tour (Ergänzungen im Tourbericht)

Der Burley-Nomad ist leicht und für den Fahrer weder zu sehen, noch zu spüren. Und das, obwohl er nur über 16"-Laufräder verfügt und durch die Deichsellänge nicht mittig hinter dem Rad läuft. Laut Tandem-Liste ist das aber richtig so und ich hätte schon fast voreilig die Deichsel gekürzt — puh!!. Verbunden ist er mit dem Rad mit einer Weber-E-Kupplung mit Schloss, statt der standardmäßigen Burley-Kupplung incl. Schnellspanner — nur geringer Aufpreis. Radseitig ist der Hänger per Pitlock Jokerachse gesichert. Keine andere war lang genug. Zwar ist die Deichsel abnehmbar - Tribut an die Zerlegbarkeit, aber das ist doch umständlich bei vollem Unter DeckHänger, und potentiellen Dieben muss es ja nicht noch einfacher gemacht werden. Ich gehe momentan davon aus, dass der Hänger von oben dicht hält. Die Seiten weisen an den Ecken und an den Verbindungsstellen der Einzelteile Lücken auf — ein weiterer Tribut an die Zerlegbarkeit. Eine selbst gefaltete Wanne aus Zeltfolie sollte das aber nicht zum Problem werden lassen. Eine zurechtgeschnittene 5mm Eva-Matte schützt den Boden zusätzlich vor jedweden spitzen Transportgütern.

Auf der Tour soll der Hänger das Zelt (komplett), eine Therma-Rest, eine Eva-Matte, Katrins Kunstfaser-Schlafsack, meinen Daunensack, 8 Jonglierkeulen und ebenso viele Bälle transportieren. Die Tasche für den gefalteten Hänger nehme ich nur mit, wenn alles incl. Hänger hineinpasst. Dann gibt es wenigstens keinen Ärger im Zug und das Hantieren im Schiff ist wahrscheinlich auch leichter. - Ich glaube aber nicht, dass das nötig ist.

30.05.04 Am Abend vor der Abreise

Nach langem Hin und Her habe ich nun doch die Schlafsäcke wieder aus dem Hänger genommen und in einen Ortliebsack gepackt. Stattdessen sind jetzt Katrins Kamera, das Werkzeug, die Reiseapotheke, das Regenzeug und die Hängertaschen hineingeraten. Ohne diesen Kompromiss hätten wir nie alles andere mitbekommen. So werden wir mit zwei Vorderradtaschen, zwei Hinterradtaschen, einem Ortliebsack für die Schlafsäcke und dem Hänger losfahren.

31.05.2004 Jetzt geht es los! (7km / 7km)

Sigi: Morgens um 9:00 Uhr ist der Zug zum Glück ganz leer. Können wir alles prima in Ruhe einladen. Damit wir keinen Ärger bekommen, nehme ich die Deichsel und die Räder vom Hänger ab und bekomme so alles separat in die Gepäckablage. Im ersten Regionalzug nach Bremen stellen wir Tandem und Hänger quasi als Gespann ab. Nach dem erneuten Umsteigen geht es leider nicht mehr so komfortabel weiter. Wir stehen dichtgedrängt in der RB und müssen das Gepäck und das Rad festhalten - oder andersherum! Aber für 45Min. ist das zu ertragen. Beim Herumtragen bricht ein Strahler aus der Fassung und das schon am ersten Tag. Einige Tage später können wir das in GB mit Sekundenkleber beheben.

Im Fährhafen werden wir standesgemäß in die Schlange der Motorräder eingewiesen. Um uns herum eine Truppe mit Harleys und vier Oldtimer-Maschinen. Hänger Alle halten ehrfurchtsvoll Abstand. Fast winzig wirken die schweren Maschinen neben unserem Gespann - :-).

Als wir auf dem Schiff gerade in unsere luxuriöse Kabine geleitet werden, fängt es ordentlich an zu regnen. Nach dem Wetterbericht wird uns morgen schon die erste Gewissensentscheidung bevorstehen. Fahren oder Kneifen. Ich habe keine lange Hose zum Radfahren mit und es sieht nicht nur so aus, als ob es nass werden würde, sondern auch kühl. Mal sehen.

Katrin: Am 31.5. waren wir nach einer etwas unhandlichen (zweimal Umsteigen mit Tandem, reichlich Gepäck und Hänger), aber ansonsten nicht weiter schwierigen - wenn man von dem beengten Stehen im letzten, überfüllten EVB Zug mit wenig Platz für Fahrräder, aber vielen Radpassagieren einmal absieht - von Magdeburg endlich am Fährterminal angekommen, reichlich früh, trotz einer Currywurst- und Kibbelingpause im Kopfsteinpflaster- Backstein- Hafengebiet. Nach dem Einchecken kamen wir auf der Wartefläche bei brütender Hitze erstmals in Kontakt mit der englischen Sprache. Uns war ein Warteplatz direkt hinter einer Harleygang zugewiesen worden, die sich in den verschiedensten britischen Zungenfärbungen unterhielt. Das Tandem sah neben den chromglänzenden Elefanten etwas verhungert aus. Als es endlich auf die Fähre ging, hat es dafür auch nicht geknattert wie ein Elefant mit Verdauungsstörungen.

Das Gepäck war flugs in der fensterlosen Kabine verstaut, nach einigem Überlegen holten wir auch noch den Hänger. Platz hatten wir genug neben den Doppelbetten und dem angegrauten (anscheinend war es nicht immer eine Nichtraucherkabine) Sofa. Dann machten wir uns auf den Weg, das Kinoprogramm zu erkunden. Nach einigen Irrläufen durch das mehrstöckige Labyrinth der Fähre fand es sich schließlich im Hinterzimmer einer Bar, allerdings verschlossen und ohne Programm. Das war dann bei der Rezeption, die erstaunlicherweise keinen Rückfahrplan für die Fähre hatte. Obwohl wir bestimmt schon hunderte von Metern im Schiff zurückgelegt hatten, befand es sich immer noch im Hafen, so daß wir das Ablegen vom Sonnendeck aus beobachten konnten. Die aggressive Sonne von vorher hatte in der Zwischenzeit dunkelgrauem Himmel und dichten Regentropfen Platz gemacht. Gute Aussichten für einen Radurlaub... Auf dem grüngestrichenen Sonnendeck bildeten sich große Wasserlachen und darin segelten die weißen Plastikstühle über das Deck. Sehr dekorativ. Zwei Handvoll Passagiere quetschten sich in Ecken, die halbwegs Schutz vor den Tropfen versprachen und sahen beim Ablegen zu. Unter den leuchtend orangen Rettungsbooten wurde die blaue Gangway weggerollt und dann ging's los.

Das Tandem verbrachte die Überfahrt im Autodeck A2, vertäut mit dafür vorgesehenen blauen Kunstofftampen, Unter Deckdie an der Wand befestigt waren, und einem unserer Gummistrops, wir ab 19:00 in unserem Etagenbett. Mein (oberes) Bett war ganz ok, Siegfrieds hatte eher Hängemattencharakter. Wir haben beide unruhig geschlafen. Er hat von der Arbeit geträumt und ich von meiner Simulation für die Thesis. Außerdem hat die Klimaanlage unaufhörlich gesummt und die Maschine gebrummt, so daß wir morgens eine dicke Rübe hatten. Heizung/Klimaanlage waren sich auch nicht ganz einig, welche Temperatur sie produzieren wollten.

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Über Anregungen und Kommentare freut sich Siegfried Schlawin .

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